Hans-Leo Ross – der Großvater der Automobilsicherheit mit über 30 Patenten
Hans-Leo Ross hat sich sein ganzes Berufsleben lang für den Schutz und die Sicherheit von Mensch und Umwelt eingesetzt. Sein Antrieb ist die Bereitstellung von sicheren und benutzerfreundlichen Automatisierungssystemen für unsere zukünftigen Mobilitätsbedürfnisse. Er hat über 25 Jahre Erfahrung in der Systemsicherheit gesammelt – bei Conti, Mando und Bosch. Darüber hinaus leitete er die VDA-Arbeitsgruppe in Deutschland zur Erstellung der ISO 26262 und trug zur weltweiten Sicherheitsnormung bei. Außerdem ist Hans-Leo Ross Autor mehrerer Bücher über funktionale Sicherheit.
Warum hast du eine Karriere im Bereich Sicherheit eingeschlagen?
Vor 30 Jahren begann ich meine berufliche Laufbahn als Projektingenieur in der Öl- und Gasindustrie. Mein erstes Projekt war die Automatisierung eines Zugverladungssystems für Flüssiggas, das Kenntnisse in den Bereichen Automatisierung, Mess- und Regeltechnik, Leistungselektronik und Betriebssicherheit erforderte. Alle Kolleg:innen gaben mir gute Ratschläge, aber als unser Chef fragte, wer für das Projekt verantwortlich sein und es leiten wolle, sagten sie alle nein, und so kam ich zu meinem ersten Sicherheitsprojekt. Ich war fasziniert von der Automatisierung und der Innovation im Transportwesen und 30 Jahre später wurde ich sozusagen einer der Großväter der Automobilsicherheit.
Was war die wertvollste Erfahrung, die du in deiner 30-jährigen Karriere gemacht hast?
Da gibt es so viele. Aber zwei, die für meine Arbeit bei Vay von besonderer Bedeutung sind, sind:
Erstens: Die Erlangung der ersten L4-Anwendung für automatisiertes Valet-Parking im Automobilbereich
Ab 2015, während meiner Zeit bei Bosch, war ich Teil des Teams, das erfolgreich die weltweit erste Level-4-Zertifizierung im Automobilbereich erreichte. Dieses Projekt wurde in Zusammenarbeit mit dem Fahrzeughersteller Daimler durchgeführt. Automatisiertes Valet-Parking (AVP) ermöglicht es, ein Fahrzeug in einem Abstellbereich eines Parkhauses abzustellen und es den Weg zu einem freien Parkplatz dann selbst erkennen und berechnen zu lassen. AVP entstand aus verschiedenen Ideen und der Einsicht, dass automatisierte Mobilität in der Stadt nicht ohne Infrastruktur realisiert werden kann. Es fehlte an technischen Fähigkeiten, um ein 2-Tonnen-Fahrzeug in der Nähe von Menschen sicher bewegen zu können. Deshalb wollten wir die Fahrzeuge durch ein sicherheitsrelevantes Steuerungssystem fernsteuern, nicht durch eine Person. Die größten Herausforderungen ergaben sich aus den Verhaltensgesetzen. Wann und für welche Ereignisse und Informationen muss das Fahrverhalten des ferngesteuerten Autos geregelt werden? Welchen Einfluss hat das Verhalten auf Aktoren wie Bremse, Antrieb und Lenkung? All diese Verhaltensmuster mussten gelernt und von den Erkennungsalgorithmen in fahrdynamische Entscheidungen umgesetzt werden. Wir mussten das Verhalten der verschiedenen Fahrer:innen in Parkhäusern analysieren, angefangen bei Handwerker:innen, die auf Leitern arbeiten, über Menschen mit durchsichtigen Plateauschuhen, bis hin zu Kindern in Parkhäusern, da sie andere Bewegungsmuster haben als Erwachsene. Das war eine immense Leistung des Teams.
Zweitens: Federführung bei der Veröffentlichung internationaler Normen für Sicherheitsanforderungen in der Automobilindustrie
Die Industrienorm ISO 26262 ist die grundlegende Sicherheitsnorm für Elektronik in der Automobilindustrie. Ich leitete die deutsche Arbeitsgruppe, die diese Norm ab 2004, während meiner Zeit bei Continental, entwickelte. Sie ist heute eine der anerkanntesten und wichtigsten Normen in der Branche und ein Maßstab für die Entwicklung hochwertiger Sicherheitsprodukte. Die größte Herausforderung bestand darin, die führende Kompetenz der deutschen Automobilindustrie in Bezug auf die Fahrzeugsicherheit zu zeigen und alle deutschen Mitwirkenden anhand der Norm zu synchronisieren.
Warum hast du dich entschieden, Teil von Vay zu werden?
Ich habe viele Jahre bei den TIER 1-Zulieferern in Deutschland gearbeitet, die große Lösungen für die Automobilindustrie anbieten, wie Bosch, Continental und Mando. Da sich der Markt und die Rollen in den letzten Jahren stark verändert haben, begannen viele dieser Akteure ihre Position an der Spitze der Branche zu verlieren, weil sie nicht so eine schnelle Innovationsfähigkeit hatten als neue Mobilitätsanbieter wie Waymo, Cariad, Nvidia und Broadcom den Automobilmarkt betraten. Tatsächlich hat die deutsche Automobilindustrie die Führungsposition im Bereich der E-Mobilität und der Entwicklung von Lösungen für das automatisierte Fahren (AD) verloren. Ich war von Vay fasziniert, weil dieses Unternehmen die Möglichkeit bietet, neue Mobilitätslösungen zu entwickeln, bei denen ich viel von meinem Wissen und meinen Erfahrungen einbringen kann. Durch Automated Valet Parking (AVP) und andere AD-Projekte habe ich mehr als 30 Patente im Bereich der Konnektivität und automatisierter Fahrlösungen erhalten.
Warum kann Telefahren sicherer sein als autonomes Fahren?
In dynamischen Situationen ist der Mensch heute immer noch der Maschine überlegen, auch wenn er von einer gut ausgebildeten künstlichen Intelligenz gesteuert wird. Es geht nicht nur um die Geschwindigkeit, mit der der Mensch Dinge und Ereignisse in seiner Umgebung erfassen kann, sondern auch darum, wie er solche Erfahrungen in seinem Gedächtnis, in seinem Gehirn, speichern kann. Der Mensch erfasst nicht nur jede Verkehrssituation mit einem Sinn, er nutzt alle Sinne, um bestimmte Ereignisse zu erfassen. Die Gefahrenmuster sind oft schon seit Urzeiten in der menschlichen Genetik gespeichert, so dass diese Muster sofort erkannt werden und der Mensch z. B. auf Gefahren in der Umwelt reflexartig reagiert. Durch Training und Erfahrung haben schon die Urmenschen gelernt, dass, wenn sie das Brüllen eines Säbelzahntigers hören, es keine Lösung ist, wegzulaufen, sondern schnell auf einen Baum zu klettern und zu warten, bis der Tiger weg ist, und die anderen Menschen durch Rufe zu warnen. Mit anderen Worten: Auch das Bewusstsein des Autofahrers kann gezielt geschult werden, so dass er reflexartig das Richtige tun kann. Nach einer KI mit einem solchen Bewusstsein und einem siebten Sinn für Risiken im Straßenverkehr werden wir noch lange suchen. Deshalb trainieren wir unsere Telefahrer:innen, vorausschauend zu fahren, damit wir nicht von Risiken überrascht werden. Durch ihre Ausbildung haben die Telefahrer:innen diese Risikoszenarien geübt und können ihren Fahrstil durch ihre eigene Fahrerfahrung immer so defensiv gestalten, dass wir Unfälle aktiv vermeiden können. Dank des Telefahr-Ansatzes können wir die heute bekannten Assistenzfunktionen und auch erprobte autonome Fahrfunktionen mit modernster künstlicher Intelligenz sehr gut kombinieren. Mit diesen Maßnahmen können wir auch kontinuierlich mit der Entwicklung Schritt halten und das Sicherheitsniveau entsprechend den wachsenden Anforderungen anpassen.
Wie setzt du bei Vay eine Kultur der Sicherheit um?
Sicherheit ist eine der Kernkompetenzen bei Vay. Sie muss in der Kultur verankert sein und ist nicht nur das Ergebnis der Arbeit einiger weniger Personen. Wir nehmen die Sicherheitsherausforderungen als Unternehmen an und arbeiten hart daran, immer die sichersten Lösungen für alle Herausforderungen zu finden. Wenn jemand eine Vay Visitenkarte hat, sollte jede:r sofort wissen, dass hier ein:e Sicherheitsexpert:in vor einem steht.
Welche Art von Menschen würdest du gerne bei Vay einstellen?
Wir brauchen Teamplayer:innen, die den gegenwärtigen Ansatz der Automobilindustrie ändern wollen und darauf erpicht sind, sicherere, ökologischere und effizientere Mobilitätslösungen zu entwickeln. Sie müssen motiviert sein, sich und ihre Fähigkeiten ständig zu verbessern. Ihr Ziel muss es sein, die beste Sicherheitstechnologie in ihrer Klasse zu entwickeln.