Johanna Loomis ist Industrial Design Lead bei Vay. Zuvor sammelte sie Erfahrungen in verschiedenen internationalen Designagenturen. Als Designmanagerin und Project Lead arbeitete sie mit diversen Firmen wie Bosch, Dräger und Siemens im B2B- und B2C-Segment zusammen. Gemeinsam entwickelten sie charakteristische Design-Identitäten, Erlebnisse und Strategien, um den Kern der Marke für die Kund:innen durch ihre Produkte erfahrbar zu machen.
Was ist deine Rolle bei Vay?
Im Industriedesign geht es darum, physische Benutzerinteraktionen für unsere Produkte und Services zu entwickeln und in Zusammenarbeit mit Mechanical Engineering, UX-Research (user experience) und der digitalen UI-Abteilung (user interface) Designkonzepte und Produkte zu entwerfen, um die Markenidentität unseres Mobilitätsdienstes an die Kund:innen zu vermitteln. In unserem Kontext bedeutet es zum Beispiel, das Äußere des Fahrzeugs so zu gestalten, dass es am Abholort leicht erkennbar ist. Ein anderes Beispiel wäre die Einführung eines individuellen Geruchs, um eine entspannende Atmosphäre im Fahrzeuginneren zu schaffen. Gleichzeitig arbeiten wir aber auch an dem Fahrerlebnis, der Ergonomie und den Interaktionen der Telefahrstation, um den neuen Beruf der Telefahrer:in attraktiv zu gestalten.
Wie unterscheidet sich der Beruf des Industriedesigners in den verschiedenen Branchen?
Industriedesigner:innen haben von Natur aus eine Schnittstellenposition innerhalb eines Unternehmens und von Grund auf einen prozessorientierten Ansatz. Wenn man diese Berührungspunkte mit Marketing, Entwicklung, Produktion und Projektmanagement nutzt, kann die Kommunikation der einzelnen Abteilungen verbessert und die Prozesse beschleunigt werden, wodurch Projekte effizienter und schlanker werden.
Die Unterschiede liegen jeweils in der Produktart und wie viel System im Hintergrund mitgedacht werden muss. Sie liegen aber auch darin, wie Entscheidungen getroffen werden und welchen Einfluss die Designer:innen (als Empathieträger:innen für die Nutzenden) in der Organisation haben, und somit auch auf die Designqualität des finalen Produktes.
Warum hast du dich für die Arbeit bei Vay entschieden?
Ich sehe einen großen Wert für die Marke, ein ganzheitliches Nutzerlebnis zu schaffen. Im Industriedesign geht es neben der physischen Ästhetik auch um die einzigartige User Experience hinter der gesamten Customer Journey. Dies schafft eine emotionale Verbindung mit den Kund:innen. Die Marke ist die Schlüsselkomponente einer ganzheitlichen Nutzerfahrung und verbindet die verschiedenen Berührungspunkte zu einem Gesamtbild, wodurch Wiedererkennungswert geschaffen wird.
Sich zu überlegen, mit welchen Schlüsselmomenten die Nutzergruppen die Marke erleben sollen, ist eine große Herausforderung, wenn es noch keine vergleichbaren Interaktionen und Serviceanbieter auf dem Markt gibt. Nichtsdestotrotz ist es eine großartige Gelegenheit, mit einem leeren Blatt Papier zu beginnen und die Möglichkeit zu haben, eine Benchmark zu entwickeln.
Vay hat eine attraktive Unternehmenskultur, eine zukunftsgerichtete Vision und ist ein Mid-Stage Start-up. Das gab mir als Industrial Design Lead die Möglichkeit, in ein Unternehmen einzusteigen, das deutlich weniger Risiken birgt als sehr junge Start-ups.
Es ist auch spannend, in kleinen, interdisziplinären Teams zu arbeiten, schnell Verantwortung zu übernehmen, etwas Sinnvolles zu tun, das noch niemand zuvor getan hat, und wahrscheinlich mehr zu tun, als in der Stellenbeschreibung steht. All das lässt mich und meine Kompetenz in kurzer Zeit stark wachsen.
Und vor allem habe ich auch die Chance, Teil dieses hochmotivierten, nutzerzentrierten Designteams zu sein und die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens in dieser Phase maßgeblich mitzugestalten.
Woran arbeitest du und was beeinflusst deine Arbeit?
Ich entwickle eine Designsprache, die strategisch in den Kernwerten der Marke Vay verwurzelt ist. Spezifische Elemente werden sowohl in physischen Gegenständen als auch in anderen Medien zu finden sein, um die Sinne der Nutzenden anzusprechen.
Meine Erfahrung mit verschiedenen Kund:innen und Zielgruppen (die von E-Auto-Ladegeräten, Feuerwehr- und Industrieausrüstung, Medizin- und Laborgeräten bis hin zu Outdoor-Ausrüstung reichen) hat meine Art zu denken, Probleme zu verstehen und mich in unbekannte Themen hineinzudenken sehr flexibel gemacht. Das bedeutet, dass ich in der Lage bin, Herausforderungen zu umgehen, sie zu überdenken oder neue – vielleicht sogar bessere – Lösungen zu finden, wenn sich die Umstände ändern. Dieses Tool in der Tasche zu haben, hilft mir im Start-up-Umfeld sehr.
Sicherlich haben Mega-, Makro- und Mikro-Trends aus den Bereichen Design, Mobilität und Gesellschaft einen großen Einfluss auf die Erwartungen unserer Kund:innen. Wiederholt gesehene visuelle Anhaltspunkte bestimmen, was Menschen attraktiv finden. Wir müssen uns der aktuellen Bewegungen bewusst sein und unsere Entscheidungen und Ausrichtungen danach aufstellen.
Welches sind deine drei wichtigsten Erkenntnisse, die deine Karriere geprägt haben?
Das Erste und Wichtigste, was ich dazu sagen kann, ist, eine Vision und eine Growth-Culture zu haben. Eine Vision für sich selbst, aber auch für das Team ist entscheidend für ein motiviertes Arbeitsumfeld. Meine Aufgabe als Design Lead ist es, eine gesunde Umgebung zu gestalten und ein gutes Beispiel für eine positive, kollaborative Kommunikation zu sein.
Es hört sich sehr banal an, aber die zweite große Lernerfahrung bei der Arbeit für mehrere Kund:innen gleichzeitig ist: Mach einen Plan! Ein Plan gibt dir, deinem Team und allen am Projekt Beteiligten Sicherheit sowie einen Rahmen, in dem sich die Designer:innen austoben können, und er sorgt dafür, dass alle aufgezeigten Probleme erkannt und angegangen werden.
Der dritte Punkt ist die Sammlung von Argumenten und Entscheidungskriterien vor Beginn der Design-Phase. Die Priorisierung der Kriterien kann sich im Laufe des Prozesses ändern, aber die Basis sollte vorab festgelegt werden. So wird sichergestellt, dass die Anforderungen aller Stakeholder:innen im Voraus gesammelt werden. Auf diese Weise können die Gestaltungsergebnisse neutral auf der Grundlage messbarer Entscheidungskriterien und nicht nur nach dem Bauchgefühl und Stimmung einzelner Personen beurteilt werden. Relevant ist dabei, dass auch das Bauchgefühl ein wichtiges Kriterium in der Liste sein kann. Das Erzeugen von positiven Emotionen ist das Ergebnis von gutem Design.
Was machst du neben der Arbeit?
In meinem Arbeitskontext lese ich viel über Trends in der Mobilität und Bewegungen in der Gesellschaft. Außerdem treffe ich gerne Freund:innen, genieße dabei guten Wein, gutes Essen und lasse mich von Gesprächen über Gott und die Welt inspirieren. Neben der Arbeit erschaffe ich ebenso Produkte und Erlebnisse, allerdings mit meinen bloßen Händen. Ich liebe es, Stofftiere für die Kinder meiner Freunde zu stricken und zu nähen. Um Dampf abzulassen, spiele ich regelmäßig Volleyball in einem Mixed-Team, gehe beachen oder fahre gerne in die Berge zum Wandern.